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IHK-Präsidentin Gisela Kohl-Vogel im Interview - KSK Heinsberg 2019 - Bericht an die Gesellschaft

IHK-Präsidentin im Interview

Ausbildung in Corona-Zeiten: Jetzt die Fachkräfte von morgen sichern

„Kaum eine Region in Deutschland hat so viel Lösungskompetenz wie unsere“, sagte IHK-Präsidentin Gisela Kohl-Vogel auf der Jahresvollversammlung der Kammer im März. Da waren die Corona-Pandemie und ihre Folgen noch nicht abzuschätzen. In der aktuellen Krise sieht Kohl-Vogel aber auch ermutigende Signale, wie etwa im Umstand, dass die meisten Betriebe im Kammer­bezirk auch weiterhin stark ausbilden wollen. Im Interview gibt sie eine Einschätzung zur aktuellen Lage im Kammerbezirk und im Kreis Heinsberg, nennt Lösungsansätze und Perspektiven für die Region und erläutert, warum die IHK Aachen u. a. auch Teilqualifizierungsmaßnahmen verstärkt fördert: „Das hilft, den Fachkräftemangel zu begrenzen, und ist außerdem eine wirksame Alternative zu Kurzarbeit.“

Der Mangel an qualifizierten Fachkräften war schon in den vergangenen Jahren ein besonders dringliches Thema für die deutsche Wirtschaft. Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen im IHK-Bezirk Aachen?

Die Ausbildungsbereitschaft ist nach wie vor hoch. Der Ausbildungsmarkt hat sich in den vergangenen Jahren zunehmend zu einem Bewerbermarkt entwickelt: Der Engpass sind nicht mehr fehlende Ausbildungsstellen, sondern fehlende Auszubildende. Auch jetzt, nach Monaten unter Pandemiebedingungen, gibt es noch viele freie Ausbildungsplätze. Wir müssen unsere Bemühungen, jungen Menschen für eine Ausbildung zu begeistern, unbedingt und engagiert fortsetzen. Denn am Ende ist jeder unbesetzte Ausbildungsplatz eine Fachkraft, die uns bitter fehlt.

Viele Betriebe haben Kurzarbeit angemeldet, Mitarbeiter entlassen oder müssen mit Umsatzeinbrüchen kämpfen. Können die Unternehmen unter diesen Umständen überhaupt eine adäquate Ausbildung anbieten?

Darauf gibt es eine klare Antwort: Ja! Die Unternehmen können auch in der aktuellen Situation eine adäquate Ausbildung anbieten. Es ist eine große Stärke der dualen Ausbildung, dass die jungen Menschen von Anfang an betriebliche Abläufe und betrieblichen Alltag erleben. Und zu diesem Alltag gehören derzeit leider die von Ihnen genannten Schwierigkeiten. Sie werden im Moment von den Betrieben in den Ausbildungsablauf integriert. Was viele nicht wissen: Auch wenn ein Betrieb für seine Mitarbeiter Kurzarbeit anmelden muss, kann dort weiter gut ausgebildet werden. Das gilt selbst dann, wenn sich die Auszubildenden in Kurzarbeit befinden. Auch mit Blick auf solche Situationen berät die IHK übrigens gerne.

Die Krise verunsichert auch viele Jugendliche. Warum lohnt es sich auch bei unsicheren Konjunkturaussichten, auf eine betriebliche Ausbildung zu setzen?

Sämtliche Prognosen kommen zum gleichen Ergebnis: Uns werden künftig mehr beruflich Qualifizierte als Akademiker fehlen. Eine duale Ausbildung bietet deshalb hervorragende Perspektiven. Und wer der Ausbildung noch einen Fortbildungsabschluss folgen lässt, der kann im Deutschen Qualifikationsrahmen DQR auf ein Niveau kommen, das dem Bachelor oder Master, also einem Hochschulabschluss, gleichgestellt ist. Ein großer Vorteil: Im Gegensatz zu einem Studenten hat man dann allerdings während der gesamten Dauer der Ausbildung bereits eigenes Geld verdient.

Wie unterstützt die IHK Aachen Unternehmen und wie Ausbildungsplatzsuchende? Gibt es besondere Angebote im Zuge der Corona-Krise?

Aktuell gibt es sowohl noch offene Ausbildungsplätze als auch Schulabgänger, die nicht entschieden haben, welchen Schritt sie als nächstes machen wollen. Es ist eine zentrale Aufgabe der IHK, diese jungen Menschen über die Chancen einer Ausbildung zu informieren und sie mit den Ausbildungsbetrieben zusammenzubringen. Dazu läuft eine Vielzahl von Maßnahmen, von Endspurtaktionen mit Bewerbungsunterlagen-Check bis hin zu Anschreiben an Vereine, um noch Schulabgänger zu erreichen. Ein wichtiger Baustein ist die Aktion „Bei Anruf Bewerbungsgespräch“, für die die IHK offene Ausbildungsstellen ermittelt und mit Ansprechpartnern auf Ihrer Homepage bereitgestellt hat. Mit den Ausbildungsbetrieben wurde vereinbart, dass Interessenten erst einmal anrufen können, ehe sie Unterlagen schicken. Dieses schlanke, digitale „Speed-Dating“ erfreut sich großer Resonanz.

Die Kreissparkasse Heinsberg ist wichtiger Finanzpartner vieler mittelständischer Unternehmen im Kreis und zugleich auch selbst ein wichtiger Ausbildungsbetrieb. Welchen Beitrag kann eine Institution wie die Kreissparkasse leisten, um die Ausbildungssituation in der Region zu unterstützen?

Es ist wichtig, dass wir alle, die wir mit Ausbildung zu tun haben, gerade jetzt ein zutreffendes Bild davon zeichnen. Und dieses Bild ist positiv. Die Kreissparkasse genießt Vertrauen in der Region und hat unzählige Außenkontakte. Bitte nutzen Sie diese Kontakte! Fragen Sie junge Menschen, ob sie schon einen Ausbildungs- oder Studienplatz haben. Sollten Sie auf Unentschlossene treffen, dann regen Sie an, über eine Ausbildung nachzudenken und sich mit der IHK in Verbindung zu setzen. Sagen Sie ganz klar, dass Ausbildung unter Corona-Bedingungen möglich ist. Gerade bei diesem Punkt müssen wir Missverständnisse und Fehlinformationen ausräumen. Wenn es uns gemeinsam gelingt, mehr Menschen für eine Ausbildung zu gewinnen, dann eröffnen wir ihnen echte Karriere- Chancen. Und das ist gut für unsere Region insgesamt.

Sie sind selbst Unternehmerin, Ihr Betrieb ist in der Ausbildung stark engagiert. Welchen Rat würden Sie anderen Unternehmerinnen und Unternehmern geben? Warum ist es auch in Krisenzeiten wichtig, sich um Auszubildende zu bemühen, und was sollte dabei beachtet werden?

Fachkräftesicherung ist ein Dauerthema, das nicht tagesaktuell abgeschlossen werden kann. Es geht vielmehr darum, langfristige Strategien zu verfolgen. Vorauszudenken. Wer die Fachkräftesicherung – und dazu zählt ganz wesentlich auch die Ausbildung – in Pandemiezeiten vernachlässigt, der wird nach der Pandemie massive Probleme haben. Nach meinem Eindruck ist das den Unternehmen in der Region sehr bewusst. Vielleicht standen im ersten Halbjahr – verständlicherweise – andere Themen höher auf der Agenda als das nächste Ausbildungsjahr. Aber jetzt ist es dringend Zeit, die Bemühungen um Ausbildung wieder aufzunehmen. Mein Rat: Wer in 2020 noch einen Auszubildenden aufnehmen möchte, sollte sich jetzt darum kümmern. Denn der Einstieg in eine Ausbildung ist – anders als manche glauben – nicht nur zum 1. August, sondern ganzjährig möglich. Stellen Sie jetzt Ihre Fachkräfte von morgen ein.

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