Stärker in die Zukunft!

Berufliche Ausbildung im Kreis Heinsberg: Gute Chancen trotz Corona - KSK Heinsberg 2019 - Bericht an die Gesellschaft

Berufliche Ausbildung im Kreis Heinsberg

Themenfokus Herbst: Sichere Ausbildung in Krisenzeiten!?

Die Corona-Pandemie hat mit voller Wucht auch den gesamten Bereich der Aus- und Weiterbildung erfasst. Das ist im Kreis Heinsberg nicht anders im Rest der Republik. Dennoch bleibt eine gute Ausbildung die zentrale Voraussetzung für eine erfolgreiche berufliche Zukunft. Sie ist zugleich Dreh- und Angelpunkt des Versuchs, dauerhaft für qualifizierte Arbeits- und Nachwuchskräfte zu sorgen. Neue Förderinitiativen von Bund und Ländern sollen Unternehmen dabei unterstützen, bestehende Ausbildungsplätze zu sichern. Wie kann das im Kreis Heinsberg am besten gelingen? Wer muss sich um die Umsetzung der Maßnahmen kümmern und reichen diese aus? Oder ist Corona nur das Brennglas, das vorher schon bestehende strukturelle Probleme mit Nachdruck zutage fördert. Diskutieren Sie mit …

Corona hat auch den Ausbildungsmarkt schlagartig ausgebremst: In ganz Deutschland war die Zahlen der angebotenen Ausbildungsplätze zuletzt ebenso rückläufig wie die Zahl der Bewerber*innen. Von Oktober 2019 bis Juni 2020 meldeten deutsche Betriebe gut 482.000 Ausbildungsstellen. Das waren 47.000 Stellen weniger als im Vorjahr. Allerdings ist wohl der Rückgang nicht ausschließlich auf die Krise zurückzuführen: Die Bundesagentur für Arbeit schreibt insgesamt den Wegfall von 17.000 Stellen auf unmittelbare Corona-Effekte. Und das Statistische Bundesamt präzisiert: „In vielen Betrieben fehlte der Nachwuchs schon vor der Krise.“ Das gilt beispielsweise für die Gastronomiebranche oder für den Einzelhandel, die besonders deutlichen Rückgängen zu verzeichnen haben.

Sicher ist, dass Corona viele auszubildende Betriebe unter Druck gesetzt hat: Umsätze brachen ein, führten zu Kurzarbeit und Insolvenzen. Das trübt auch die beruflichen Perspektiven vieler Auszu­bildenden. Dazu kamen vor allem im April und Mai dieses Jahres ganz praktische Probleme: Der Lockdown brachte viele Unternehmen dazu, ihre Ausbildungsaktivitäten einschränken oder gar auszusetzen, weil zuständige Mitarbeiter*innen ins Home-Office mussten oder in Kurzarbeit waren. Vorstellungsgespräche wurden ebenso abgesagt oder verschoben wie Berufs- und Aus­bildungs­messen. Das schränkte die Möglichkeiten der Kontaktaufnahme zwischen Ausbildungs­betrieben und Interessent*innen erheblich ein.

Doch auch auf der Nachfrageseite sind die Effekte unübersehbar. Welche Folgen die Corona-Krise mittel- und langfristig für den Ausbildungsmarkt, ist noch schwer abzuschätzen. Das verunsichert viele potenzielle Bewerber*innen bei der Wahl von Ausbildungsplatz und Arbeitgeber. Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung befürchten mehr als 60 Prozent der Jugendlichen zwischen 14 und 20 Jahren, dass sich ihre Ausbildungschancen in Folge von Corona verschlechtert haben. Ein Drittel geht davon aus, dass sich die Zahl der Ausbildungs­plätze deutlich verringert hat. Hier fallen Realität und Wahrnehmung leicht auseinander. Denn in der Praxis nehmen sich die Zahlen glücklicherweise bislang nicht ganz so dramatisch aus wie vermutet. Der Ausbildungsmarkt ist zwar geschrumpft, aber nicht so deutlich, wie vielerorts befürchtet wurde. Die Agentur für Arbeit meldet für Juli 2020 einen Rückgang der Ausbildungsangebote um acht Prozent zurück, ebenso aber auch acht Prozent weniger Bewerber*innen. Trotz Corona gibt es immer noch viele offene Lehrstellen in Deutschland.

Trotz Corona gibt es immer noch viele offene Lehrstellen

Konkret bedeutet das: Es stehen mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung als besetzt werden können. Allein in Nordrhein-Westfalen waren Anfang September 2020 noch fast 30.000 Ausbildungsstellen unbesetzt, während knapp 24.000 Jugendliche noch keinen Ausbildungs­platz gefunden hatten. Im Kreis Heinsberg hatte sich die Zahl der angebotenen Ausbildungs­stellen sogar erhöht: Im Juni 2020 waren es etwa 1.400, ein leichter Anstieg gegenüber dem Vorjahr (1288). Etwa 570 davon waren zu diesem Zeitpunkt noch unbesetzt. Allerdings bleibt abzuwarten, wie sich die Ausbildungsaktivitäten der heimischen Unternehmen in Zukunft entwickeln werden. Eine aktuelle Konjunkturumfrage der IHK Aachen zeichnet ein zwiespältiges Bild: Nur vier Prozent aller Unternehmen im Kammerbezirk wollen mehr ausbilden als vor der Pandemie, dagegen will jeder sechste seine Ausbildungsplätze reduzieren.

Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von Auszubildenden hatten aber vor allem solche Branchen, die schon vor der Krise mit sinkenden Bewerberzahlen zu kämpfen hatten, etwa die Gastronomie, der Einzelhandel oder die Pflegeberufe. In anderen Branchen kam es nach Ende des Lockdowns dagegen sogar zu einer Art Aufholjagd um Bewerber*innen, meldet Staatskanzlei NRW. Teilweise übertraf die Zahl angebotener Ausbildungs­stellen sogar die jeweiligen Werte des Vorjahres.

Ein gutes und vielfältiges Ausbildungsangebot bleibt auch in der Krise wichtig, damit die wirtschaftliche Entwicklung im Kreis Heinsberg wieder Kurs auf zukünftiges Wachstum nehmen kann. Denn nach wie vor klagen viele Bereiche der Wirtschaft im Kreis über einen Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften. Insgesamt sind rund 21 Prozent aller Berufe sind laut einer Analyse des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) vom Fachkräftemangel betroffen. Diese Entwicklung hat sich durch Corona noch verstärkt, zumal die Hoffnung, Engpässe durch eine verstärkte Rekrutierung von Arbeitskräften aus dem Ausland in der aktuellen Situation ebenfalls erschwert sind – und wohl auch bleiben.

Wer Ausbildung anbietet, wird gefördert

Um den Ausbildungsmarkt langfristig zu stabilisieren, unterstützt die Bundesregierung mit dem Programm „Ausbildungsplätze sichern“ kleine und mittlere Ausbildungsbetriebe. Möglich sind Förderprämien in Höhe von 2.000 bis 3.000 Euro je Ausbildungsplatz. Dafür müssen die Aus­bildungsunternehmen allerdings auch einige Voraussetzungen erfüllen: So sollen sie ihr Ausbildungsniveau halten oder sogar erhöhen, Kurzarbeit vermeiden oder Auszubildende von insolventen Betrieben übernehmen. Insgesamt werden hier 500 Millionen Euro in die Ausbildungsförderung investiert.

Auch das Land Nordrhein-Westfalen will Ausbildung und Weiterbildung noch gezielter fördern. Im Rahmen der Initiative „Ausbildung jetzt!“ hat das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales insgesamt 25 Millionen Euro an zusätzlichen Fördermitteln zugesagt. Damit soll das Bundesprogramm zur Ausbildung gestärkt und bereits laufende Programme im Ausbildungs­bereich sowie entsprechende Angebote der Agentur für Arbeit unterstützt werden.

Die Mittel sollen auch Ausbildungsmaßnahmen mit einem besonderen Fokus zugute kommen, beispielsweise dem TEP-Programm zur Berufsausbildung in Teilzeit oder der Maßnahme „Öffentlich geförderte Beschäftigung“ (ÖgB) zur Integration von Langzeitarbeitslosen.

Auch in der Krise ein Stabilitätsanker: die Ausbildung

Solche Initiativen von Land und Bund sind auch internationale anerkannt. Einem aktuellen Bericht der OECD zufolge sind die Perspektiven für junge Menschen mit einem beruflichen Abschluss in keinem Land so günstig wie in Deutschland. Die Zahlen des Berichts beziehen sich zwar vor allem auf die Situation vor Corona, lassen aber dennoch einige Rückschlüsse auf die Qualität des deutschen Ausbildungssystems zu. Im Jahr 2019 waren demnach 88 Prozent der 25- bis 34jährigen, die einen Berufsabschluss vorzuweisen hatten, auch in einem Beschäftigungsverhältnis untergekommen. Das Beschäftigungsniveau ist genauso hoch wie bei Absolventen mit akademischem Bildungsabschluss – eine Besonderheit im internationalen Vergleich. Und ein deutlich positives Signal mitten in der Krise.

Für diese hohe Beschäftigungsquote sind laut OECD mehrere Faktoren verantwortlich. Dazu gehört die hohe Qualität des Ausbildungssystems, insbesondere das Konzept der dualen Ausbildung, das eine hohe Praxisnähe ermöglicht. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Anschlussfähigkeit der Berufsausbildung in Deutschland: Vielen Absolventinnen und Absolventen steht nach dem Abschluss der Übergang in höhere Bildungsgänge offen.

Das sind Faktoren, die auch unter wirtschaftlich schwierigen Bedingungen Mut machen sollten. Chancen gibt es trotz Corona. Und die Berufsausbildung ist nach wie vor ein wichtiger Baustein, um die persönliche berufliche Entwicklung wie auch die wirtschaftliche Entwicklung insgesamt vorwärts zu bringen. Gerade hier im Kreis Heinsberg mit seiner traditionell starken Ausbildungskultur.

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